Die chronische Nierenkrankheit ist eine vernachlässigte klinische Entitaet, deren Bedeutung erst in den letzten Jahren anerkannt wurde, ohne aber die nötige Sensibilität der Allgemeinmediziner, die sich an der Betreuung von nierenerkrankten Patienten beteiligen zu gewaehrleisten.
Charakteristisch ist der Fall des Patienten, wo der Arzt einen erhöhten Cholesterinspiegel ankündigt und einen grenzwertig erhöhten Kreatininspiegel, mit dem Interesse beider Seiten, wie man vor allem den Cholesterinspiegel senkt, in welchem Zeitraum, mit welcher Art von Diät, wann der Patient medikamentöse Behandlung bekommt, wie oft er den Wert kontrollieren soll, welche Nebenwirkungen die Medikamente auslösen können usw. Bezüglich des Kreatininspiegels, reicht es aus, wenn der Patient mehr Wasser trinkt, dass das Problem sich evtuell von selbst löse ohne jegliche Sorge! Schauen wir uns mal einige Mythen genauer an, die sich rund um die chronische Nierenerkrankung drehen und die im Gegensatz stehen zum bewaehrten Verfahren der Betreuung eines Nierenpatienten.
Erster Mythos: "Wenn man mehr Wasser trinkt, fällt der Kreatinispiegel"
Es handelt sich um den weitverbreitesten Mythos unter Nierenerkrankten. Tatsache ist, dass ein hoher Kreatininspiegel im Zusammenhang von bestimmten Zuständen (z.B. Einnahme von Antibiotika oder anderer Medikamente, Ernährungsfaktoren, Erweiterung der Muskelmasse u.a.) hängt, auf der anderen Seite aber, kann es sein, dass dieser hohe Kreatininspiegel auf eine Nierenerkrankung irgeneines Grades hinweisst, vor allem bei Patienten mit einem erhöhten Risiko einer Nierenerkrankung (z.B. Diabetiker, Patienten mit Bluthochdruck, Übergewichtige u.A.). Ziel des Arztes ist in diesen Fällen die genaue Ermittlung der Gründe für die Erhöhung des Kreatininspiegels und die weiteren Untersuchungen des Patienten im Falle eines starken Verdachtes auf einen Nierenschaden und natürlich nicht der oberflächliche Aufruf zu mehr Wasseraufnahme, die auf keinen Fall einen solchen Schaden heilt! Natürlich gibt es Fälle, in denen der übermäßige Wasserkonsum zur Verschlechterung eines Nierenproblems führt, wie z.B. bei einer Einzelniere (angeboren oder erworben), bei denen diese Wasserzufuhr zu einer Ultrafiltration und Überfunktion der Niere führen kann, oft mit schädlichen Folgen (z.B. Verschlechterung einer bereits vorhandenend Proteinurie). Eine hohe Wasserzufuhr (<2Liter) wird in sehr bestimmten Fällen empfohlen, wie bei wiederauftretenden Nierensteinen, bei immer wiederauftretenden Blasenentzündungen und bei älteren Patienten die harntreibende Mittel einnehmen. Letzterem ist eine engere Beobachtung notwendig, so dass die tägliche Wasserzufuhr im normalen Bereich liegt, da die Wirkung der harntreibenden Mittel zu einer Dehydrierung führen kann, wenn die Wasserzufuhr nicht richtig ist.
Zweiter Mythos: "Der Kreatininspiegel liegt im Normbereich, also gibt es keine Nierenprobleme"
Was bei Laborwerten im Normbereich liegt, hängt auf keinen Fall damit zusammen, was jedes Labor als Normbereiche angibt. Besonderen Wert hat der Vergleich wie sich die Laborwerte mit der Zeit entwickeln und die Berücksichtigung der speziellen Besonderheiten des untersuchenden Patienten. Z. B. ein Kreatininwert von 1,3 mg/dl ist für einen muskulösen 40 jährigen Mann normal, zur gleichen Zeit aber für einen älteren 70 jährigen Mann kann dieser Wert auf einen Verlust der Nierenfunktion von 60%-70% hindeuten! Außerdem kann ein Kreatininwert, der vor wenigen Jahren zwischen 0,6 und 0,8 mg/dl lag und heute bei 1,2 und 1,3 mg/dl liegt, einen signifikanten Befund nachweisen, der mit großer Sorgfalt ueberprüft werden muss, auch wenn diese Laborwerte im Normalbereich bleiben, die das Labor vorgibt. Schließlich ist zu beachten, dass der Kreatininspiegel nur einer von vielen Werten ist, der ein Nierenversagen zeigt. Nicht wenige Fälle zeigen, dass dieser im Normbereich liegt, die Niere aber einen Schaden hohen Grades zeigt. Es bedarf also der Mitbewertung anderer Laborwerte um eine entgültige Entscheidung über den Gesundheitszustand der Nieren eines Menschen vorzulegen.
Dritter Mythos: "Die grenzwertige Erhöhung des Kreatininspiegels ist nicht signifikant. Viel wichtiger ist der Cholesterinspiegel"
Die Nierenerkrankung wird von vielen Spezialisten der koronaren Herzerkrankung gleichgestellt. Dies bedeutet, dass ein Patient mit eingeschränkter Nierenfunktion und ein Patient mit einem zurückliegenden Myokardinfarkt theoretisch das gleiche Risiko haben in den nächsten Jahren an einem Herz-Kreislauf- Anfall zu erkranken. Dieser Tatbestand im Zusammenhang mit der epidimiologischen Beobachtung, dass die chronische Nierenerkrankung deutlich das Risiko einer Herz-Kreislauf- Erkrankung (koronare Herzkrankeit, Schlaganfall, periphere arterielle Verschlusskrankheit u.A) vervielfacht, so wie das Sterblichkeitsrisiko eines Patienten, stellen einen ''grenzwertig hohen Kreatininwert'' als eine wichtige pathologische Entität dar, die mit großer Vorsicht untersucht werden muss und die deutlich ernsthafter ist als ein erhöhter Cholesterinspiegel, der nur einer der vielen Risikofaktoren ist für die Erscheinung von Herz-Kreislauf-Krankheiten.
Vierter Mythos: "Die chronische Nierenerkrankung ist nur in den letzten Stadien gefährlich, kurz bevor der Patient an die Hämodialyse gelangt"
In der Tat stellt die chronische Nierenerkrankung eine asymptomatische Erkrankung dar, die nur in den letzten Stadien bemerkenswerte Symptome vorweist. Allerdings ist die Früherkennung aus drei Gründen wichtig. Erstens, wegen des erhöhten Risikos einer Herz-Kreislauf-Erkranung, wie obengenannt und der erhöhten Bereitschaft die ein Arzt vorweisen sollte für das Risiko, in dem sich sein Patient befindet. Zweitens, wegen der signifikanten Behandlungen, die im Anfangsstadium der Erkrankung eingesetzt werden können, entweder um sie zu heilen (seltener) oder um die Entwicklung der Nierenerkrankung zu verzögern. Und drittens, wegen der ''stillen'' Komplikationen der Erkrankung, die schon im dritten Stadium erscheinen. Zu den wichtigsten Komplikationen gehören die renale Anämie und die Knochen-Nieren-Erkrankung, zwei klinische Entitäten, die relativ früh diagnostiziert und mit Medikamenten behandelt werden können.
Literaturbericht
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- Yerram P, Karuparthi PR, Hesemann L, Horst J, Whaley – Connell A. “Chronic kidney disease and cardiovascular risk”, J Am Soc Hypertens. 2007 May-Jun;1(3):178-84
Nephrologiespezialist am, Hämodialyseferienzentrum Nephroxenia auf Korfu